Vorbildlich. Schon das erste Foto von Barack Obama als US-Präsident ist historisch. Es geht als das erste digital produzierte offizielle Portrait eines Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in die Geschichtsbücher ein. Aufgenommen wurde es am 13. Januar 2009 von Pete Souza. Souza prägte mit seinen Fotos das öffentliche Bild von Barack Obama und leistete damit digitale Pionierarbeit. Acht Jahre nach Dienstantritt wird nicht nur der erste Social-Media-Präsident der USA das Weiße Haus verlassen, sondern auch sein visueller Pressesprecher, fotografischer Chronist und permanenter Schatten. Ein Rückblick.
Der Fotograf stellte von Anfang an Bedingungen an Obama
Ihre Wege kreuzten sich schon früher. Bereits 2004 dokumentierte Pete Souza als Fotojournalist im Auftrag der Chicago Tribune den Wahlkampf von Barack Obama für den US-Senat. Aus diesen Fotos und dem ersten Jahr Obamas im Senat entstand 2008 Souzas Buch „The Rise Of Barack Obama„. Das in dieser Zeit entstande Vertrauen legte den Grundstein für ihre Zusammenarbeit. Dabei stellte Souza von Anfang an Bedingungen an seine Zusage: „One thing I made clear before accepting was I said I need to have access to everything,“ he explained. That doesn’t mean he gets unfettered access to the Obamas personal lives (that comes on a case-by-case basis). But, in terms of official business, Souza says „it’s quite clear I’ll be there for everything … I’m in the room.“
Mit dem Mantra des modernen Fotojournalismus ins Weiße Haus
Pete Souza sieht sich selbst als visueller Archivar des 44. US-Präsidenten. In dieser Funktion müsse er Zugang zu allen offiziellen Terminen des Präsidenten erhalten – egal wann und egal wo. Seine Art der dokumentierenden Fotografie beschreibt er als „blanket coverage“ – als Pauschalabdeckung. Da er nicht wissen könne, wann etwas von Bedeutung im Weißen Haus passiere, müsse er eben jeden Schritt des Präsidenten fotografieren, so Souza. Damit arbeitet der gelernte Fotojournalist in der Tradition der beobachtenden journalistischen Langzeitreportage, die mittlerweile auch als „slow photojournalism“ bezeichnet wird. Robert Capas Mantra des modernen Fotojournalismus kann dabei als sein Leitmotiv betrachtet werden: „If your photogaphs aren’t good enough, you’re not close enough.“ In seinem Arbeitsstil orientierte er sich damit an der entschleunigten Herangehensweise des goldenen Zeitalters des Fotojournalismus. Gegenüber dem National Public Radio (NPR) erläutert Souza den zeitgeschichtlichen Stellenwert seiner Arbeit: „I think this administration will go down in history — he’ll go down in history as a great president. And just to have been there, to watch this from up close with a camera, has just been a remarkable opportunity.“
Der Schatten des Präsidenten, der nicht immer im Raum ist
Barack Obama und er brauchten einige Zeit um sich aneinander zu gewöhnen. Laut Souza war es aber nur eine Sache von Monaten, bevor seine permanente Anwesenheit bei Meetings, Telefongesprächen und anderen alltäglichen Ereignissen, reine Routine wurde. „Am Anfang ist diese ständige Beobachtung im Alltag das, woran du dich am meisten gewöhnen musst“, erzählt Obama in der Dokumentation „The Presidents Photographer“ des Fernsehsenders PBS. „Wenn du aber jemanden wie Pete Souza an deiner Seite hast, der so im Hintergrund verschwinden kann, dass er nicht mehr auffällt, dann gewöhnst du dich an die alltägliche Observation.“ Es gipfelte darin, dass Barack Obama meinte, den Fotografen bei einem verschobenen Meeting im Raum wahrzunehmen, obwohl Pete Souza noch woanders Mittag aß. Sein Büro hatte schlicht vergessen, dem Fotografen den neuen Termin mitzuteilen. Souza wurde zum permanenten Schatten des Präsidenten. Obama sagte dazu 2010: „At this point – Pete and I are like an old couple. We know each other and he is part of the family.“
Der schmale Grat zwischen politischer PR und Fotojournalismus
Als Cheffotograf des US-Präsidenten bewegt sich Pete Souza in der Tradition von Yoichi Okamoto, dem ersten hauptamtlichen Fotografen im Weißen Haus unter Lyndon Johnson. Okamoto begleitete den Präsidenten auf Schritt und Tritt – wie Souza Obama. Dabei erkannte nicht jeder Präsident den historischen Wert eines White House Photographers. Nixon zog stets Fernsehkameras seinem persönlichen Fotografen Ollie Atkins vor, der manchmal einfach vor die Tür gesetzt wurde. Donald Trump hat sogar am Tag seiner Inauguration noch keinen White House Photographer benannt. Eine Anfrage der Time Lightbox lies sein Büro unbeantwortet. Barack Obama hingegen ist sich der Macht der Bilder von Pete Souza bewusst. Da Souza fotografisch geschickt auf dem schmalen Grat zwischen visueller poltischer PR und Journalismus wandelt, kann man ihn als politisches Werkzeug des US-Präsidenten bezeichnen. Dies gilt besonders im Hinblick auf die vielen neuen Kommunikationskanäle im Internet.
Früher landeten die Fotos ungesehen im Archiv, heute im Internet
Pete Souza hat im Weißen Haus eine Doppelfunktion: Er ist nicht nur Cheffotograf, sondern auch Director of the White House Photography Office. Als Bildchef bestimmt er zum einen, wer den Präsidenten fotografieren darf, und zum anderen, welche Fotos veröffentlicht werden. Während die Fotos der Fotografen der früheren Präsidenten meist ungesehen im Archiv verschwanden, werden die Fotos heute strategisch auf Online-Plattformen wie Flickr, Instagram, Facebook oder Twitter veröffentlicht. Hier wird zum zweiten Mal deutlich, dass das historische Bild von Barack Obama ein anderes sein wird, als das seiner Vorgänger. Barack Obama weiß die neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung politischen Akteuren bietet, nicht nur im Wahlkampf zu nutzen. Der Meme- oder Social-Media-Präsident wäre ohne seine visuellen Pressesprecher Pete Souza nicht so erfolgreich.
Neue Medien fordern neue Prozesse – auch im Weißen Haus
Etwa 20 bis 80.000 Fotos werden von den bis zu drei Staff-Fotografen im Weißen Haus pro Tag angefertigt. Eine solche Fülle an aktuellen Hinter-den-Kulissen-Bildern des US-Präsidenten gab es noch nie. Keiner seiner Vorgänger hatte die Möglichkeit, seine Fotos quasi in Echtzeit zu veröffentlichen. So konnte Pete Souza zwei Seiten des Präsidenten zeigen: den Amtssträger und den Privatmann. Die Zugriffszahlen des ersten Flickr-Albums übertrafen alle Erwartungen. Neben den textbasierten sozialen Plattformen wie Twitter und Facebook erweckten damit vor allem die offiziellen Accounts auf den bildbasierten Netzwerken das Interese der Öffentlichkeit. Flickr, und im weiteren Verlauf auch Instagram, hievten Barack (12,2 Mio. Follower) und seine First Lady Michelle (9,4 Mio. Follower) im Netz auf eine Ebene mit internationalen Popstars. Der Account des Weißen Haus selbst kommt auf 3,4 Mio., Pete Souza selbst auf knapp 650.000 Follower. Alle offiziellen White-House-Accounts werden in den jeweiligen Netzwerken archiviert – dies gilt auch für Pete Souzas Fotos. Erstmalig werden alle Fotos einer Präsidentschaft als digitale Daten in das Nationale Archiv (NARA) überführt.
@matschbild like other individual official WH accounts, @petesouza will be archived at @petesouza44 & will continue to be accessible to view
— Kori Schulman (@ks44) 16. November 2016
Präsident Trump übernimmt die Social-Media-Accounts – was erwartet uns?
Wie wird das Erbe von Pete Souza und seinem Team aussehen? Natürlich kann das heute niemand mit absoluter Gewissheit voraussagen – zumal Donald Trump noch keinen neuen White House Photographer ernannt hat. Fest steht aber, dass Barack Obamas Nachfolger auf den Social-Media-Kanälen des Weißen Hauses bereits im Wahlkampf eine absolut konträre Strategie verfolgt hat. Eins aber haben beide US-Präsidenten gemeinsam: Sowohl für Barack Obama als auch für Donald Trump war die Social-Media-Nutzung am Ende entscheidend für den jeweiligen Wahlsieg. Der politische Neuling und Unternehmer Trump nutzte die sozialen Netzwerke jedoch viel unkonventioneller und impulsiver.
David Brooks bezeichnet die Präsidentschaft von Donald Trump schon prophetisch als „Snapchat Präsidentschaft“. Ihm ginge es um kurzfristige Aufmerksamkeit und keine permanenten Hinterlassenschaften. Laut Kai Dieckmann sei es für Trump sogar sinnvoller eine Aussage auf 140 Zeichen bei Twitter zu begrenzen, um damit direkt „Breaking News“ zu sein, statt auf herkömmliche PR-Methoden zu setzen. Der künftige Pressesprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, gab laut faz.net zu Protokoll, dass er nach dem Aufwachen als erstes die neuen Tweets seines Chefs lese, um zu wissen, was ihn an diesem Tag erwarten würde. Der Pressesprecher sei nicht in die Produktion der Tweets miteinbezogen.
Ob das Bild, das der zweite Social-Media-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika der Nachwelt hinterlassen wird, ähnlich authentisch aussehen sein wird, wie das von Barack Obame, bleibt abzuwarten. Pete Souza wird jedenfalls als erster visueller Social-Media-Pressesprecher des Weißen Hauses in die Geschichtsbücher- und Wikipedia-Einträge eingehen.
Welches Bild von Präsident Barack Obama in die Geschichte eingehen wird, dass liegt jetzt bei Anderen: Historikern, Politik-, Kommunikations- und Bildwissenschaftlern. Pete Souza hat seinen Job getan. Seine Bilder werden bleiben. Er hat sich nun eine Pause verdient.
Teaserbild: (c) Jan Philip Eberstein
(Anmerkung: In diesen Artikel sind Gedankengänge, Ergebnisse und Kritikpunkte meiner Bachelorarbeit „Politik im Bild der Öffentlichkeit: Digitale Bilder, visuelle politische PR und die Folgen für die Fotojournalismus“ mit eingeflossen.)