Welche Bilder auf den digitalen Plattformen sind Euch 2018 im Kopf geblieben? Diese Frage habe ich Menschen gestellt, die im Bereich Social Media oder an der Schnittstelle Social Media/Visual Storytelling arbeiten. Aus den einzelnen Beiträgen habe ich eine Liste der Social-Media-Bilder des Jahres 2018 zusammengestellt. Die Reihenfolge ist dabei nicht von Bedeutung.
Podcasts und AI waren 2018 zentrale Buzzwords, wenn es um digitale Trends ging. Was aber in diesem Jahr auch kontinuierlich passierte: Die Kommunikation auf den digitalen Plattformen ist noch einmal visueller und natürlich noch mobiler geworden.
Im letzten Jahr habe ich noch meine persönliche Top 10 der Social Media Fotos 2017 zusammengestellt. Wenn es aber 2018 um einen „Die Bilder des Jahres“-Rückblick geht, dann sind auch GIFs, Memes, Snaps, Stories oder andere visuelle (journalistische) Darstellungsformen explizit mit einbezogen.
Mein herzlicher Dank geht an alle, die Bilder, Texte und Gedanken zu dieser Liste beigetragen haben.
Die 10 Social-Media-Bilder 2018
1 Ein Mann, der einer Frau die Welt erklärt
Gepostet von Milk Tuesdays am Mittwoch, 19. September 2018
„Ich weiß, ich komm nicht besonders gut rüber auf dem Bild“, sagt der Mann, der hier auf die junge Frau einbrüllt. Er heißt Patrick Richie und war im Sommer in einem Club in Edinburgh. Dort traf er seine ehemalige Mitschülerin Lucia Gorman. Die beiden wurden dabei auf eine Weise fotografiert, in der Menschen überall auf der Welt das Prinzip Mansplaining erkannten. Das Bild wurde zur Grundlage für ein Meme: ein Mann, der einer Frau die Welt erklärt. Für mich das Social-Media-Bild 2018 weil die Reflektion eines Problems der erste Schritt zu einer Lösung sein kann – jedenfalls hoffe ich drauf.
Dirk von Gehlen macht Neues bei der SZ, er ist Journalist, Buchautor und Vortragsredner, lebt in München und im Internet
2 Six minutes and 20 seconds
9 of the most powerful pictures of Emma González at the March for Our Lives https://t.co/tvho1arukY pic.twitter.com/fxNp3HjeLS
— HelloGiggles (@hellogiggles) March 25, 2018
6 Minuten 20 Sekunden, so lange dauerte das Schulattentat in Florida, bei dem 17 Menschen starben. 6 Minuten 20 Sekunden lang schwieg Emma González, die den Amoklauf überlebt, auf der Bühne beim March for our Lives, zusammen mit hunderttausenden Demonstrant*innen.
Sie zeigten, dass die üblichen „thoughts and prayers“ dieses Mal nicht mehr reichten.
Die Waffengesetze in den USA sind zwar weiterhin mehr als fragwürdig, aber der March for our lives zeigte mir, dass junge Menschen ihre Stimmen hörbar machen können und bestärkt mich darin, auch in Deutschland laut und deutlich meine Standpunkte zu vertreten, lauter als je zuvor.
Farah Schäfer, Journalistin und Presenterin bei Mädelsabende
3 Das Meta-Social-Media-Bild
All eyes on Mark Zuckerberg in Congress. Watch live: https://t.co/sHMU8SSypk pic.twitter.com/borPSjtMA0
— Hollywood Reporter (@THR) April 10, 2018
Ich denke, dieses Foto steht für Social Media 2018 wie kaum ein anderes: Social Media ist Werkzeug der politischen Auseinandersetzung geworden, damit einher geht auch die Aufmerksamkeit für die ungeahnten Folgen von Facebook und anderen Netzwerken. Gleichzeitig zeigt das Bild auch all die Kritik, die auf Zuckerberg dieses Jahr eingeprasselt ist und dem Netzwerk zunehmned Schwierigkeiten bereitet. Es war das vielleicht schwerste Jahr für Facebook und Zuckerberg bislang.
Jannis Schakarian, Blogger bei netzfeuilleton.de und Innovationsmanager bei funk/ZDFinfo
4 Das Integrationsparadox
Auf der #DIK deutschen Islam Konferenz wurde auch Sinnvolles getan 😉 @SerapGueler & #HorstSeehofer pic.twitter.com/FLFK2zU9FD
— Aladin El-Mafaalani (@AladinMafaalani) November 28, 2018
Dieses Bild steht wie kaum ein anderes für den Widerspruch, der Deutschland in diesem Jahr ausgezeichnet hat. Zum einen das „Integrationsparadox“ von Aladin El-Mafaalani: Wohl kaum ein Buch analysiert das Thema Integration so auf den Punkt wie seins. Zum anderen: Unser „Heimatminister“ Horst Seehofer, der bei diesem Thema unfassbar viel gesagt und getan hat, dem ich einfach widersprechen möchte – auch und gerade nach der Lektüre des Buches. Gleichzeitig gönne ich mir die naive Hoffnung, dass Seehofer in dieses Buch reinliest und sich ein paar Gedanken macht.
(Anmerkung: Aladin El-Mafaalani und ich kennen uns seit vielen Jahren persönlich. Ich würde die oben geschriebenen Zeilen aber genau so schreiben, wenn ich ihn nicht kennen würde.)
Jens Becker, Digital-Redakteur WDR5, Trainer für Social Media lensemann.de
5 Ein G7-Gipfel, viele Perspektiven
One scene – four different perspectives #G7
1) by Merkel‘s team ??
2) by Macron’s team ??
3) by Conte’s team ??
4) by Trump’s team ?? pic.twitter.com/q3qaSfaiQS— Fabian Reinbold (@fabreinbold) June 9, 2018
Das mittlerweile ikonische Foto von Angela Merkel auf dem G7 Gipfel in Kanada war grandios. Noch grandioser war allerdings die Gegenüberstellung der Fotos, die von den verschiedenen Regierungen veröffentlicht wurden. Denn auf einmal stand gar nicht mehr die Bundeskanzlerin im Mittelpunkt, sondern beispielsweise Emmanuel Macron. Also: Nicht alles gleich teilen, sondern erstmal nachdenken! Denn natürlich würde ich als Bundesregierung auch genau dieses Foto veröffentlichen.
Emily Kavanaugh, Redaktionsleitung Online Deutschlandfunk Kultur
6 Alex Jones schreit Jack Dorsey an
"It's a rare thing to be alone on an island with such a dramatic scene developing in front of you." This is how that that magical Jack Dorsey-Alex Jones photo happened: https://t.co/pfVWDjdtKm
?: M. Scott Mahaskey pic.twitter.com/Zl1Na3qLBP— WIRED (@WIRED) September 7, 2018
2018 war geprägt von der Debatte, wer was auf welcher Plattform sagen darf. Symbolisch für diese Diskussion steht dieser Schnappschuss: Jack Dorsey verlässt nach einer Anhörung in Washington das Gebäude, der bekannte und von den prominentesten Tech- und Social-Media-Plattformen verbannte Verschwörungstheoretiker Alex Jones lauert ihm auf und schreit ihn aus nächster Nähe an, Dorsey aber würdigt ihm keines Blickes.
Mag diese Szene auch noch so bizarr wirken, sie hält wunderbar fest, wie sehr darüber gestritten werden sollte, wer darüber am Ende entscheiden darf, was in der Öffentlichkeit gesagt werden darf und was nicht – denn mag auch die ganze Weltöffentlichkeit über Tech- und Social-Media-Plattformen diskutieren, demokratisch legitimiert sind ihre CEOs nicht. So können sich 2018 vielleicht viele darüber freuen, dass Verrückten wie Jones weniger Reichweite ermöglicht wird, was aber wenn es künftig einmal andere Ideen trifft?
Martin Fehrensen, unabhängiger Journalist & Blogger, Herausgeber des Social Media Watchblogs
7 Fake or for real?
Donald Trump wirft es den Medien vor, während Propaganda-Angriffe wirklich Wahlen manipulieren: Fake News. Das gezielte Verbreiten von falschen Inhalten nimmt der britische The Guardian als Anlass, den User spielerisch Lügen von der Wahrheit zu trennen.
„Fake or for real“ heißt ein Video-Format in Instagram Stories. Moderatorin Leah Green stellt Theorien, Bilder oder virale News der letzten Woche vor; User dürfen raten: Ist diese Nachricht fake oder echt (for real)? Die Zuschauer können mit Hilfe des Voting-Tools mitquizzen.
Das Format ist interaktiv, informativ und unterhaltsam – drei Kernpunkte, die nur wenige Instagram Stories erfüllen. „Fake or for real“ kombiniert journalistische Relevanz mit der Verspieltheit von Instagram und ist genau deshalb so addictive: Ich quizze mich durch die Beiträge und schaue weiter, um die Auflösung der Fragen zu bekommen. „Fake or for real“ gibt es seit Dezember 2016 auf Instagram Stories, seid zwei Monaten auch in einer etwas besser produzierten Version als Snapchat Show (Snapchat Shows sind Anfang November in England gelauncht).
Formate wie dieses fehlen auf Instagram. Guter Journalismus geht zwischen privaten Stories unter. Wir versuchen in dieses Feld zu stoßen: „BILD fragt euch“ erscheint wöchentlich, mit Quizfragen treiben wir das User-Engagement hoch und sorgen so für einen Suchtfaktor: Der User darf mitraten. Die Meinung des Nutzers ist gefragt. Für die richtige Antwort swipen sie sich in den Artikel. Mit „BILD fragt euch“ können wir so die relevanten Kennzahlen von Stories – Impressions, Completion Rate und Swipe-up-Rate – steuern.
Morten Wenzek, Verantwortlicher Redakteur Neue Plattformen/ Social Media bei BILD
8 Die wahrscheinlich längste Praline der Welt
Die wahrscheinlich längste Praline der Welt.
Gepostet von RP ONLINE am Dienstag, 11. Dezember 2018
Mein Social-Media-Bild des Jahres besteht aus Schokolade. Sehr viel Schokolade. Es handelt sich dabei um das Posting, bei dem ich am meisten gelacht hatte. Nach einem Unfall läuft eine Tonne Schokolade auf einer Straße aus. Unser Journalistenschüler Alex hatte seinen ersten Tag als Social am Desk und zauberte den wundervollen Text: „Die wahrscheinlich längste Praline der Welt.“ Auf den Punkt.
Daniel Fiene, leitet das Audience-Engagement-Team der Rheinischen Post
9 Ein Seehofer und acht Männer
Nicht meine Heimat! #Diversity #Feminism #Vielfalt @BMI_Bund Führungsriege #Heimatministerium #Seehofer #Heimat pic.twitter.com/Kr7p1dJHNx
— Hannah Neumann (@Hannah_LBerg) March 27, 2018
Bilder prägen, Bilder framen. Positionen, Weltanschauungen und Ideologien. Mit so einem Bild im Jahr 2018 bestätigt man als konservativer Minister seine Kritiker, zeigt aber auch seinen Unterstützern klar wie man die Welt sieht. Its a mens world. Kein Text, keine Rede könnte das besser illustrieren als dieses Foto. Dieses Bild war einige Tage omnipräsent auf Twitter, wo es auch in meine Timeline gespült wurde und wird den Menschen Seehofer wohl noch sehr lange bis in die Geschichtsbücher folgen. Das Bild zeigt wie wichtig politische Kommunikation ist und wie schnell ein Bild in Zeiten von Social Media von einer Unterseite einer Webseite zum Politikum werden kann und tagelang die Berichterstattung der klassischen Medien prägen kann.
Martin Fuchs, Politik- und Digitalberater, und Blogger als hamburger-wahlbeobachter.de
10 Kommt es auf die Perspektive an?
These two juxtaposed photos were retweeted over 35,000 times with the caption “perspective matters”. Perspective matters, and so do dates and places… because these two photos were taken on two different days in two different places, in Paris ?
1/8 pic.twitter.com/d0ECWMF7N1— AFPFactCheck ? (@AFPFactCheck) December 11, 2018
Mein persönliches Social-Media-Bild des Jahres 2018 ist die Auflösung eines Foto-Fakes durch die Nachrichtenagentur AFP. Ein Twitter-User verbreitete einen Tweet mit zwei Fotos, die vermeintlich die gleiche Szene in Paris zeigen. Links war das Foto eines Feuers vor dem Arc de Triomphe zu sehen und rechts ein Foto, auf dem Fotografen ein kleines Feuer auf einer Straße fotografieren. Dazu nur der Text: Perspective matters …
Es entstand eine Diskussion darüber, ob AFP die Ausschreitungen während der Proteste der sogenannten Gelbwestenbewegung in Frankreich dramatisieren würden. Der Tweet erinnert an das Projekt Photojournalism Behind the Scenes des Italieners Ruben Salvadori und verbreitet sie rasend schnell. Das AFP fact-checking network belegte zwei Tage später in einem umfangreichen Thread, dass die Fotos an zwei unterschiedlichen Tagen und zwei unterschiedlichen Orten fotografiert wurden. Kein Foto war übrigens von AFP.
Auch Bilder sind Teil von gezielten digitalen Desinformationskampagnen. Fact-checking und digitale Bildforensik sind Werkzeuge, die diese visuellen Lügen entlarven können. Das beste Mittel gegen Desinformation ist als vertrauenswürdige Quelle in Netz wahrgenommen zu werden und diese Fakes seriös zu entlarven. AFP zeigt das hier vorbildlich.
Hier geht es zu meinen persönlichen Top 10 der Social Media Fotos 2017.